Brief an den Mann
Was mich bangt, ist nicht die Kühle der Einsamkeit. Meine Eisblumen blühen, wenn ich es will. Vermag ich auch nicht immer, das rechte Wasser zu finden, den rechten Wind zu rufen, die rechte Kälte zu sprechen so vermag ich doch ihr klirren und wachsen zu hören. Es braucht dann nur den Blick dorthin und die Loslösung von aller Notwendigkeit.
Für einen kurzen Augenblick.
Dies nun aber
bangt dich und du nennst es Laster, Krankheit, Wahn, vielleicht auch
schizophrenes Gehabe. Meine Kälte fürchtest du und dies
unterscheidet uns. Was du fürchtest, muss ich suchen. Was dich
ängstigt, brauch ich zum überleben. Denn kein wahres Wort kommt aus
der Hitze, der Spannung, der Aufgeregtheit und Regsamkeit. Es gelingt
mir nur aus der Distanz. Mich erinnernd daran und blickend auf jene
Eisblumen. Sie sind nicht schön genug um zu täuschen, nicht farbig
genug um zu blenden, nicht betörend genug um zu rauben. Klar und
rein. Die Facetten eines Momentes im Licht, das ich wähle,
aufgefächert.
Ein ewiger Augenblick.
Kälte trifft
dich, wenn du in jenen Momenten bei mir bist. Lässt dich starren und
harren. Dich fragend zurück in einer lieblosen Welt. Ein unmöglicher
Zustand. Ein Stillstand. Schmerzlich durch die Trennung, die ich
scharf beachte. So ist nicht die Liebe, fühlst Du, so ist der
Tod. Gequältes, einsames Herz, getrennt von seiner Hälfte. Getrennt
von seinem Universum, der Natur, dem großen ganzen verdrießt dich
alles, was damit zusammenhängt. Denn nichts gibt es, was du daran
ändern könntest. So verlangt es dir nach einem warmen Wort, einem
liebendem Kuss, einer heilenden Umarmung als Zeichen der Liebe, die
doch da war, die doch brennt und nicht einfach so verglühen soll.
In einem ganzen Augenblick.
Höchstes Glück
findest Du dann darin. In den wärmenden Worten, den liebenden
Küssen, der heilenden Umarmungen, das doch nur einzig bedroht wird
von der Kühle. Der Trennung. Mein zurückziehen, mein Loslassen als
unverstandenes Konzept von Vereinsamung. Ein Beweis für meine
Unfähigkeit zur dauernden Liebe. Zur dauernden Zweisamkeit, welche
mich hin und wieder, ganz plötzlich befällt. Und an der naturgemäß
niemand teilhaben kann. Auch nicht die Liebe.
Nicht für einen Augenblick.
Und nach Jahren
des Wanderns und Irrens stehst du vor mir. Die Spur von alten Tränen
zieht über dein Gesicht. Worte der Verachtung klingen noch in deinen
Gedanken. Der Hass zieht versteckt in deinem Gemüt flüchtige
Kreise. Die Schuldfrage ist geklärt, ein für alle mal. Doch du
kamst zurück und ich finde mich wieder als Frau, welche den Mann
gebiert, ihn ernährt, ihn erzieht und letztlich tötet. Ein
Schicksal, wie von Göttern gemacht. Unentrinnbar verstrickt in
Notwendigkeiten, erdachten, verbogenen und gegebenen Differenzen,
Anbetung, unerwünschter Opfergaben, Bitten und Sehnsüchten und
überschraubenden Forderungen. Dennoch erwartet man, die Wellen des
Lebens als sanfte Wogen ans Ufer zu legen. Standhaft, fest und ewig
soll es sein. Denn was sonst könnte dir den Halt geben?
In jedem Augenblick.
Wenn es nicht die
Liebe, nicht das Ganz-sein, nicht das Selbstsein, nicht das Heil-sein
ist, was bleibt dir noch um Halt zu finden? Gott? Glaube? Hoffnung?
Und wieder trifft dich Kälte. Denn Gott ist für mich irrelevant,
wenn es so etwas überhaupt gibt. Sein Treiben unermesslich
unerkannt. Nicht zu deuten. Der Glaube spuckt in mein Herz. Trübt
meine Sinne, tötet den Durst, tötet die Lust. Tötet das Feuer.
Gebiert Friedfertigkeit wo es Widerstreit braucht. Widerstreitet mit
dem Tier in mir, das so scheu geworden, kaum noch zu Atem kommt. Zu
wage die Hoffnung. Ein schöpfen aus leeren Quellen. Ein sinnloses
züchten von Idealen, höchsten Ansprüchen und Perfektion deucht mir
ein fischen in trübem Schlamm zu sein, wo Zersetzung nicht beendet
wird. Und an dem der Mensch scheitern muss.
In allen Augenblicken.
Es bangt mich
nicht die Kühle. Dieser einzige, sichre Ort ist meine Zuflucht.
Meine Hütte in unendlicher Weite an dem ich bestimme, welches Feuer
brennt. Es bangt mich, was du suchst. Was dich gänzlich macht, was
dich fühlen, fliegen und vollkommen macht. Denn so bleibe ich die
Frau, die den Mann gebiert, ihn ernährt, ihn erzieht und töten muss
um sich selbst zu retten.
Im letzten Augenblick.
Im letzten Augenblick.
Toll geschrieben.
AntwortenLöschenSpricht mir verdammt aus der Seele.
Vielen Dank. Ich wusste erst nicht, ob ich es wirklich in den Blog setzen wolle. Ich glaubte, der Text ist zu melancholisch, vielleicht auch zu lang. Oder gar zu simpel und zu "fremd". Umso mehr freut mich jetzt, dass er doch etwas "Anklang" findet. Vielen Dank für Deinen Kommentar.
AntwortenLöschenIch finde immer mehr wundervolle Werke auf deinem Blog :) *Hut ab*
AntwortenLöschenSetz Dir Deinen Hut nur schnell wieder auf. Du weißt ja, das Wetter ist gerade sehr ungemütlich. Danke fürs Feedback. Gerade bei diesem Text.
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