Donnerstag, 15. November 2012

Die Frau

Brief an den Mann


Was mich bangt, ist nicht die Kühle der Einsamkeit. Meine Eisblumen blühen, wenn ich es will. Vermag ich auch nicht immer, das rechte Wasser zu finden, den rechten Wind zu rufen, die rechte Kälte zu sprechen so vermag ich doch ihr klirren und wachsen zu hören. Es braucht dann nur den Blick dorthin und die Loslösung von aller Notwendigkeit.
Für einen kurzen Augenblick.
Dies nun aber bangt dich und du nennst es Laster, Krankheit, Wahn, vielleicht auch schizophrenes Gehabe. Meine Kälte fürchtest du und dies unterscheidet uns. Was du fürchtest, muss ich suchen. Was dich ängstigt, brauch ich zum überleben. Denn kein wahres Wort kommt aus der Hitze, der Spannung, der Aufgeregtheit und Regsamkeit. Es gelingt mir nur aus der Distanz. Mich erinnernd daran und blickend auf jene Eisblumen. Sie sind nicht schön genug um zu täuschen, nicht farbig genug um zu blenden, nicht betörend genug um zu rauben. Klar und rein. Die Facetten eines Momentes im Licht, das ich wähle, aufgefächert.
Ein ewiger Augenblick.
Kälte trifft dich, wenn du in jenen Momenten bei mir bist. Lässt dich starren und harren. Dich fragend zurück in einer lieblosen Welt. Ein unmöglicher Zustand. Ein Stillstand. Schmerzlich durch die Trennung, die ich scharf beachte. So ist nicht die Liebe, fühlst Du, so ist der Tod. Gequältes, einsames Herz, getrennt von seiner Hälfte. Getrennt von seinem Universum, der Natur, dem großen ganzen verdrießt dich alles, was damit zusammenhängt. Denn nichts gibt es, was du daran ändern könntest. So verlangt es dir nach einem warmen Wort, einem liebendem Kuss, einer heilenden Umarmung als Zeichen der Liebe, die doch da war, die doch brennt und nicht einfach so verglühen soll.
In einem ganzen Augenblick.
Höchstes Glück findest Du dann darin. In den wärmenden Worten, den liebenden Küssen, der heilenden Umarmungen, das doch nur einzig bedroht wird von der Kühle. Der Trennung. Mein zurückziehen, mein Loslassen als unverstandenes Konzept von Vereinsamung. Ein Beweis für meine Unfähigkeit zur dauernden Liebe. Zur dauernden Zweisamkeit, welche mich hin und wieder, ganz plötzlich befällt. Und an der naturgemäß niemand teilhaben kann. Auch nicht die Liebe.
Nicht für einen Augenblick.
Und nach Jahren des Wanderns und Irrens stehst du vor mir. Die Spur von alten Tränen zieht über dein Gesicht. Worte der Verachtung klingen noch in deinen Gedanken. Der Hass zieht versteckt in deinem Gemüt flüchtige Kreise. Die Schuldfrage ist geklärt, ein für alle mal. Doch du kamst zurück und ich finde mich wieder als Frau, welche den Mann gebiert, ihn ernährt, ihn erzieht und letztlich tötet. Ein Schicksal, wie von Göttern gemacht. Unentrinnbar verstrickt in Notwendigkeiten, erdachten, verbogenen und gegebenen Differenzen, Anbetung, unerwünschter Opfergaben, Bitten und Sehnsüchten und überschraubenden Forderungen. Dennoch erwartet man, die Wellen des Lebens als sanfte Wogen ans Ufer zu legen. Standhaft, fest und ewig soll es sein. Denn was sonst könnte dir den Halt geben?
In jedem Augenblick.
Wenn es nicht die Liebe, nicht das Ganz-sein, nicht das Selbstsein, nicht das Heil-sein ist, was bleibt dir noch um Halt zu finden? Gott? Glaube? Hoffnung? Und wieder trifft dich Kälte. Denn Gott ist für mich irrelevant, wenn es so etwas überhaupt gibt. Sein Treiben unermesslich unerkannt. Nicht zu deuten. Der Glaube spuckt in mein Herz. Trübt meine Sinne, tötet den Durst, tötet die Lust. Tötet das Feuer. Gebiert Friedfertigkeit wo es Widerstreit braucht. Widerstreitet mit dem Tier in mir, das so scheu geworden, kaum noch zu Atem kommt. Zu wage die Hoffnung. Ein schöpfen aus leeren Quellen. Ein sinnloses züchten von Idealen, höchsten Ansprüchen und Perfektion deucht mir ein fischen in trübem Schlamm zu sein, wo Zersetzung nicht beendet wird. Und an dem der Mensch scheitern muss.
In allen Augenblicken.
Es bangt mich nicht die Kühle. Dieser einzige, sichre Ort ist meine Zuflucht. Meine Hütte in unendlicher Weite an dem ich bestimme, welches Feuer brennt. Es bangt mich, was du suchst. Was dich gänzlich macht, was dich fühlen, fliegen und vollkommen macht. Denn so bleibe ich die Frau, die den Mann gebiert, ihn ernährt, ihn erzieht und töten muss um sich selbst zu retten.
Im letzten Augenblick.

4 Kommentare:

  1. Toll geschrieben.
    Spricht mir verdammt aus der Seele.

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  2. Vielen Dank. Ich wusste erst nicht, ob ich es wirklich in den Blog setzen wolle. Ich glaubte, der Text ist zu melancholisch, vielleicht auch zu lang. Oder gar zu simpel und zu "fremd". Umso mehr freut mich jetzt, dass er doch etwas "Anklang" findet. Vielen Dank für Deinen Kommentar.

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  3. Ich finde immer mehr wundervolle Werke auf deinem Blog :) *Hut ab*

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  4. Setz Dir Deinen Hut nur schnell wieder auf. Du weißt ja, das Wetter ist gerade sehr ungemütlich. Danke fürs Feedback. Gerade bei diesem Text.

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